Lars Heidemann

12. Dezember 2016

Wahlmanipulation durch Big Data?

Wurde Trump aufgrund eines Mechanismus, der auf dem Ocean-Modell basiert, zum Präsidenten gewählt?

Nichts wird in den letzten Tagen mehr im Web geliked, geteilt, kommentiert und diskutiert, als der Artikel „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt“ in „Das Magazin“ 1

Die Kurzform: Michal Kosinski, Assistenzprofessor in Stanford, hat einen Algorithmus entwickelt, wie aus dem Facebook-Profil einer Person ein zuverlässiges Persönlichkeitsprofil erstellt werden kann. Grundlage hierfür ist das aus der Psychometrie stammende Ocean-Modell. Eine bedeutende Rolle spielen dabei simple Persönlichkeitstests, wie es sie auf Facebook ständig gibt, z.B. wie „Welches Land bist Du?“, mit denen Nutzer dem jeweiligen Anbieter des Tests freien Zugang auf ihr gesamtes Profil einräumen. Am Ende stehen große Datenmengen (Big Data), mit denen genaue Zielgruppen ohne Streuverluste bestimmt werden können.

Angeblich soll Michal Kosinski sich der Gefahr der aus Big Data resultierenden Möglichkeiten bewusst gewesen sein. Kollegen hätten dieses Wissen aber verkauft – an Cambridge Analytica.

Laut „Das Magazin“ hat Cambridge Analytica das Abstimmungsverhalten in Großbritannien, das zum Brexit geführt hat, durch die Auswertung von Big Data maßgeblich beeinflusst. Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf habe man zunächst Ted Cruz unterstützt, sei aber dann in das Lager von Trump gewechselt (natürlich gegen ein ordentliches Honorar).

Dennis Horn, ARD, kommentiert den Beitrag von „Das Magazin“ folgendermaßen: „Etwas, das gerade jeder hören möchte, das fast schon zu perfekt klingt, um wahr zu sein, sollte man vielleicht zweifach, dreifach, vierfach auseinandernehmen.“ 2

Zwei Dinge erschrecken mich an der Geschichte, egal, ob diese künstlich erschaffen wurde oder der Wahrheit (wenn auch nur in Teilen) entspricht:

1. Das perfekte (PR-)Netz, das im Hintergrund gesponnen wurde

„Breitbart News“ war ein wichtiges Sprachrohr im Wahlkampf von Trump, dessen Herausgeber Steve Bannon 3, zukünftiger Chefstratege im Weißen Haus, auch Vorstandsmitglied von Cambridge Analytica ist.

Weitere Hintergründe im Artikel von Wired. 4

2. Fehlende Medienkompetenz

Wie schnell werden „Nachrichten“ geteilt, ohne den Inhalt auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Wie schnell wird an Umfragen und Quiz teilgenommen, Filme „freigeschaltet“ – ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, warum man dafür Informationen seines Facebook-Profils preisgeben muss.

There ain’t no such thing as a free lunch.

Es gibt nichts umsonst, schon gar nicht im Internet. Warum sollte jemand aufwendig einen Psychotest programmieren und dann nichts dafür haben wollen? Ach, geben wir ihm doch Zugang auf unser Facebook-Profil – macht doch nichts, damit kann ja niemand etwas anfangen! Irrtum. Selbst wenn die Rolle von Big Data und gezielter Wahlkampfwerbung basierend auf Persönlichkeitsprofilen maßlos übertrieben wird, um Ängste zu schüren: Vorsicht ist dennoch geboten.

Auch Publizist Joachim Weiner kritisiert die Programme der Regierung scharf. Er ist der Meinung, dass nur etwas an der Oberfläche zelebriert werde, aber niemand gucke, ob etwas dahinter steckt.

Disruption bestimmt unseren Alltag (zumindest den mit Internetanschluss). Wir müssen ALLES in Frage stellen. Nicht erst morgen. Denn gestern war heute morgen.

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