Lars Heidemann

26. September 2011

facebooks neue Kleider

Timeline und Open Graph kreieren den gläsernen Kunden.

In meinem Blog-Post vom 19. Mai 2011 schrieb ich über eine Zukunftsvision. Digitale Helferlein, die meine Komfortzone vergrößern.

Es lassen sich unterschiedlichste Szenarien zeichnen, wie diese Realisierung aussehen könnte. So könnte es eine Software geben, die mein Persönlichkeitsprofil speichert oder die Daten werden neutral abgelegt, so dass individuell entwickelte Software darauf zugreifen kann.

Denn: die digitalen Helferlein benötigen als Basis eine Software, die sich der gespeicherten Daten bedient.

Diese Software könnte zukünftig facebook heißen. facebook läuft mittlerweile auf nahezu jedem Smartphone nativ als App.

facebook möchte mit Open Graph nun eine Schnittstelle bieten, die es anderen ermöglicht live in das Profil des Nutzers zusätzlich Daten zu senden, ohne dass der Benutzer dies jedes Mal einzeln freischalten muss.

Beispiel: Ich höre Musik über iTunes — Open Graph sendet die Titel direkt in mein facebook Profil. So können meine Freunde die Musik ebenfalls hören und kennen damit meinen Musikgeschmack. Das gleiche gilt für Fernsehen, Filme, Kochrezepte, Fotos, Bücher, Getränke…

Nutze ich einen Dienst, der Geo-Daten benötigt, bzw. liefert (z.B. foursquare), werden diese Daten ebenfalls meinem Profil hinzugefügt.

So werde ich meinen Freunden gegenüber transparenter. Aber nicht nur meinen Freunden gegenüber. Das, was Payback versucht (und wohl auch geschafft) hat, wird nun eine Generation später von facebook fortgeführt. Und in einer Art, die man sich nicht hat vorstellen können.

All diese Daten könnten von pfiffigen Entwicklern genutzt werden, um digitale Helfer über eine facebook-Schnittstelle zu füttern. Open Graph sei Dank.

Datenschützer werden auf die Barrikaden gehen und gegen die Sammelwut von facebook wettern, den Dienst und Zuckerberg verteufeln. Aber hey, wir sind mündige Bürger. Wir _müssen_ diesen Dienst nicht nutzen. Einfach abschalten, Konto löschen. Oder man macht sich die Arbeit und stellt in den Einstellungen differenzierter ein, wer welche Inhalte im Detail sehen darf. So einfach ist das.

Haben wir Google vor geraumer Zeit noch für seine Sammelwut an den Pranger gestellt, so wird nun facebook als Sündenbock herhalten müssen.

Aber hier in aller Deutlichkeit: es ist jedem freigestellt diesen Dienst zu nutzen — oder eben nicht. Ich muss keinen der Google-Dienste nutzen, genauso wenig, wie ich facebook nutzen muss. Aber es ist sooo herrlich bequem. Google ist eine tolle Suchmaschine, GMail ist kostenlos, GoogleDocs herrlich einfach. Auch auf facebook ist alles sooo schön. Freunde "treffen", Fotos und Belanglosigkeit austauschen.

Und weil diese Dienste kostenlos sind, nehme ich die negativen Aspekte billigend in Kauf.

Timeline ist hingegen weniger spektakulär. Timeline stellt meine Statusmeldungen (Ortsangaben, Fotos, Kommentare, Freundschaften…) chronologisch dar und bezieht auch meine familiären Beziehungen ein.

Wenn man sich die Mühe machen möchte, kann man sich seinen Lebenslauf schönschreiben, indem man einzelne Meldungen in der Chronik (Timeline) anzeigen lässt oder aber löscht.

Sicher wird es hier zukünftig professionelle Dienstleister geben, die eine Optimierung der Aussendarstellung für eine bessere Reputation anbieten.

Jeder Einzelne muss sich einfach bewusst sein, dass er mit jedem Post (Eintrag auf einer digitalen Plattform) transparenter wird und dass die Summe der Einträge die Transparenz schafft, die sich werbende Unternehmen immer gewünscht haben und die auch bereit sein werden eine Menge Geld für diese Informationen zu zahlen.

Medienkompetenz wird somit für alle Bevölkerungsschichten des Netzes (Digital Natives und Digital Immigrants) wichtiger denn je. Und wir dürfen es nicht versäumen den zukünftigen Generationen eine große Portion an Sensibilität für den Umgang mit persönlichen Daten mitzugeben, auch, wenn ich persönlich der Meinung bin, dass nur der etwas zu befürchten hat, der etwas zu verbergen hat.